Spontan mit Plan
Landschreiber Tobias Moser und Renée Spillmann Siegwart sind das Rückgrat der Zuger Staatskanzlei – seit über einem Jahrzehnt, als Doppelspitze mit Humor, Hingabe und Handyempfang bis in die Subantarktis. Ihr Motto: Wir machen beide alles – aber nichts doppelt. Und das funktioniert erstaunlich.

Die Landschreiber der Staatskanzlei im Interview
Tobias Moser (55) ist seit 2011 Zuger Landschreiber, Renée Spillmann Siegwart (60) seit 2010 stellvertretende Landschreiberin. Beide sind Juristen mit Anwalts- und Notariatspatent, beide in der Stadt Zug zu Hause, beide naturverbunden – und seit Jahren ein eingespieltes Duo. Verheiratet sind sie übrigens auch – aber nicht miteinander.
Hand aufs Herz: Wann haben Sie zum letzten Mal pünktlich Feierabend gemacht – und wussten morgens schon, was Sie erwartet?
Tobias Moser (TM): Natürlich planen wir unseren Tag – zumindest versuchen wir es. Aber am Abend merken wir oft: Die schönste Planung nützt nichts, wenn das Unvorhersehbare regiert. Täglich trudeln spontane Anfragen per Mail oder Telefon ein, und dann beginnt das Jonglieren: Was ist wichtig und dringend? Was kann warten? Wir priorisieren permanent, triagieren fast wie in einer Notaufnahme. Ich starte ab und zu schon um 5.15 Uhr zu Hause mit dem ersten Mailblock, bevor es ins Büro geht. Und weil ich auch ein Abendmensch bin, wird’s abends gerne spät.
Renée Spillmann Siegwart (RSS): Wir gehören definitiv nicht zu den Leuten, die um Punkt 17 Uhr den Stift fallen lassen. Meistens nehmen wir uns morgens ABC vor – und machen dann XYZ. Tobias sagt gern um 17 Uhr: «So, jetzt fangen wir an zu arbeiten.» Weil wir dann erst dazu kommen, das zu tun, was eigentlich auf der To-do-Liste stand. Wir reagieren den ganzen Tag über. Deshalb versuche ich, mich jeden Morgen eine Stunde draussen zu bewegen, und beginne meinen Arbeitstag möglichst nicht vor halb neun – die Ruhe am Morgen in der Natur ist Gold wert.
Wie hält man durch, wenn jeder Tag ein Drahtseilakt ist – voller Überraschungen, ohne Fahrplan und oft ohne Feierabend?
RSS: Man muss Lust auf Sprache haben – lesen, schreiben, formulieren, das gehört einfach dazu. Und ja, man sollte belastbar sein. Nicht, weil wir täglich 20-Stunden-Schichten schieben – das tun wir definitiv nicht. Aber es braucht eine gewisse positive Grundeinstellung gegenüber dem Arbeiten, um diesen Job zu mögen.
TM: Was uns wirklich den Rücken stärkt, ist unser Team. In einer Powerwoche haben auch sie 12-Stunden-Tage. Alle wissen, was zu tun ist, und alle tun es mit vollem Einsatz. Deshalb bleiben wir auch in stressigen Phasen entspannt. Was mir besonders wichtig ist: fragen! Wenn niemand fragt, werde ich nervös. Natürlich arbeiten wir an sieben Tagen – aber nicht sieben Tage. Renée und ich machen hier etwas, das es in den anderen 25 Kantonen so nicht gibt: Seit dem ersten Tag teilen wir uns sämtliche Arbeit. Unsere Formel lautet: Wir machen beide alles – aber nichts doppelt. So wie in einer kleinen Boutique. Der Clou daran: Weil wir beide alles teilen, haben die Regierung, der Kantonsrat und die Verwaltung zwei vollwertige Ansprechpersonen. Auch in den Ferien sind wir füreinander erreichbar. Es gab schon Wochen, da dauerten die Tage 17 Stunden. Trotzdem nehme ich mir bewusst Auszeiten – etwa für eine Runde im Fitnesscenter. Und es gibt auch ruhigere Zeiten, in denen ich mit Freude die (Aussen-)Welt entdecke.
RSS: Dass Tobias auch mal vier Wochen in die Ferien fahren kann, ohne dass hier alles zusammenbricht, liegt daran, dass wir uns blind aufeinander verlassen können. Ich weiss, was zu tun ist – Panik kommt da keine auf. Als er kürzlich für dreieinhalb Wochen in der Subantarktis war, komplett offline, lief der Betrieb trotzdem reibungslos weiter. Und als plötzlich eine Mailflut einsetzte, wussten wir: Jetzt hat Tobias wieder Empfang.
TM: Stimmt – aber mittlerweile gibt es weltweit immer weniger Orte ohne Handyempfang. Genau das schätze ich an unserem Job: Ob auf der Alp, in der Subantarktis oder im Homeoffice – ich kann überall für den Kanton Zug arbeiten, wenn’s nötig ist.
Wie hat die Digitalisierung die Rolle des Landschreibers verändert?
RSS: Was definitiv zugenommen hat, ist die Mailflut. Ich bin eigentlich den ganzen Tag nur am Mails wegschaufeln. «Your inbox will never be empty» – es tröpfelt ununterbrochen rein. So habe ich das früher nicht erlebt. Gleichzeitig bringt die Digitalisierung aber auch viele Erleichterungen: Alle Geschäfte sind heute elektronisch verfügbar, was die Arbeit deutlich effizienter macht. Ich finde Dokumente schneller – und habe die Gewissheit, dass nichts fehlt. Früher musste ich für ein einziges Dokument ins Archiv, während ich heute vom PC aus alles in Sekundenbruchteilen finde.
TM: An einem ruhigen Tag bekomme ich etwa 70 Mails – das sagt schon einiges. Ich schätze aber auch die mobile Flexibilität: Als die Bundesratskadidatur mit Martin Pfister losging, war ich gerade in Asien. Also sass ich dort nachts am Telefon und beantwortete Mails, damit mein Team in Zug nicht ins Schwimmen kommt. Heute kann man fast überall arbeiten – sogar im Himalaya, wo früher gar nichts ging, hat man inzwischen Empfang. Es bringt echte Entspannung, wenn man nach den Ferien nicht Berge von Mails hat.
Sie leben den Zuger Spirit – wie spürt man den in der Verwaltung?
TM: Für mich heisst das vor allem: responsive sein. Ich gehe auch nicht immer sofort ans Telefon aber ich rufe garantiert zurück. In der Zuger Verwaltung ist das der Standard: Man bekommt eine Antwort. Wir machen nicht unbedingt alles besser als andere Verwaltungen – aber wir machen vieles anders. Und dazu gehört eben auch, dass wir erreichbar sind. Gerade weil wir heute in einer arbeitsteiligeren, grösseren Verwaltung arbeiten als früher, ist das entscheidend.
RSS: Die Leute auf der Verwaltung sind zuvorkommend und freundlich. Sie sehen Anfragen nicht als Störung, sondern als Teil ihres Auftrags und behandeln Externe und Interne wie Kundschaft. Auch der Umgang untereinander ist bemerkenswert kollegial. Das prägt die ganze Arbeitskultur.
Wenn Sie den Kanton Zug einen Tag als Startup führen dürften, was würden Sie als Erstes ändern?
TM: Ich würde die Zeiterfassung abschaffen und auf Vertrauensarbeitszeit umstellen – für alle. In der Pharmabranche habe ich das erlebt: völlig stressfrei, völlig normal. Die Stechuhr ist für mich der Anfang mentaler Verbeamtung. Klar, mit Zeiterfassung ist es gerechter. Aber ohne kämen trotzdem beide Seiten nicht zu kurz – da bin ich überzeugt.
RSS: Ich würde die Ferienregelung anpassen – nicht zugunsten meiner Generation, sondern der Jüngeren. Ich bin 60 und habe viele Ferientage. Aber die jungen Leute mit kleinen Kindern und längeren Reiseplänen könnten zusätzliche freie Tage viel besser nutzen. Als meine Kinder klein waren, hätte ich mir genau das gewünscht.
Text: Martina Müller // Bild: Suzanne Trümpler
Dieser Artikel erschien zum ersten Mal in der «Personalziitig» des Kantons Zug, Ausgabe Nr. 111, Juli 2025.
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