03.12.2020, Medienmitteilung

Burgruine Hünenberg – vom prächtigen Adelssitz zur imposanten Ritterburg

Eine Monographie über die Burg Hünenberg geht der Geschichte der unter Denkmalschutz stehenden Anlage auf den Grund. Von fehdelustigen Raubrittern, widerspenstigen Eidgenossen und mittelalterlichen Tafelfreuden ist darin die Rede, aber auch von bemerkenswerten archäologischen Funden, die Rückschlüsse auf das faszinierende Leben im Mittelalter geben. Das Buch erscheint in der renommierten Reihe «Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters».

Die Burgruine befindet sich idyllisch gelegen auf einer bewaldeten Anhöhe zwischen zwei Bächen am südwestlichen Dorfrand Hünenbergs. Dass die Ruine mehr ist als bloss ein beliebtes Ausflugsziel, dokumentiert die neu erschienene Monographie von Gabi Meier Mohamed, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Amt für Denkmalpflege und Archäologie (ADA). Ergänzt wird ihre Arbeit durch vertiefende Fachbeiträge weiterer Autorinnen und Autoren.

Erstmals ausgegraben wurde die Burgruine von 1944 bis 1951 unter der Leitung des Chamer Landwirts und Amateurarchäologen Emil Villiger. Zusammen mit dem lokalen Turnverein, einer Schulklasse und weiteren freiwilligen Helfern ging man dabei nicht zimperlich vor: Wurzelstöcke sprengte man mit Patronen weg, das Turmmauerwerk wurde mit einer Feuerwehrspritze gereinigt. Die Ausgräber hatten wohl die Hoffnung, auf die Hinterlassenschaft des Ritters Heinrich von Hünenberg zu stossen, welcher der Legende nach im Vorfeld der Schlacht am Morgarten 1315 den warnenden Pfeil abgeschossen hatte («Hütet euch am Morgarten!»).

Die 1955 unter kantonalen und 1962 unter eidgenössischen Denkmalschutz gestellte Anlage wurde 1961/1962 erstmals restauriert. Im Verlaufe der Jahrzehnte mehrten sich die Schäden am fragilen Mauerwerk und machten eine erneute Sanierung notwendig. Das ADA suchte zusammen mit der Eigentümerin der Burgruine, der Korporation Hünenberg, nach entsprechenden Lösungen. Von 2007 bis 2009 wurde die Burgruine umfassend restauriert und in Zusammenarbeit mit der Universität Zürich archäologisch untersucht.

Das nun erschienene Buch enthält die Resultate der umfassenden wissenschaftlichen Auswertung der mittelalterlichen Burgruine und ihrer Baugeschichte sowie der geborgenen Funde. Dazu gehören neben Keramikscherben von Töpfen und Schüsseln auch modellierte Ofenkacheln mit Darstellungen von Drachen, Fabelwesen und Liebespaaren. Zahlreich sind auch die Metallfunde: eiserne Geschossspitzen, Fragmente von Kettenhemden, eine Hellebarde und ein fast vollständig erhaltener Panzerhandschuh sind besonders erwähnenswert. Als weitere spezielle Funde zu nennen sind eine mittelalterliche Schachfigur aus Hirschgeweih, ein vergoldeter Zierbeschlag von einem Minnekästchen, eine Holzklammer von einem Webstuhl und Reste eines Schuhs aus Ziegenleder. Die Analysen von tierischen und pflanzlichen Überresten liefern Informationen über den mittelalterlichen Speiseplan und zeigen, dass man auf der Burg Hünenberg neben Getreidespeisen aus Rispenhirse, Hafer und Dinkel auch Gnagi, Hasenbraten, Egli und gebratene Drosseln verzehrte. Gegenstände aus Tierknochen und Geweih legen dar, dass man auf der Burg Armbrüste reparierte, mit Flöten musizierte, Schach spielte und mit Griffeln auf Wachstafeln schrieb. Ein 67 römische Münzen umfassender Depotfund zeigt, dass das Areal bereits vor der Burgengründung genutzt worden war. Einige Menschenknochen aus der Zeit um 600 n. Chr. lassen vermuten, dass der Ort im Frühmittelalter als Bestattungsplatz diente.

Baugeschichte dank modernsten Untersuchungen erzählbar

In der schweizerischen Burgenforschung erstmalig durchgeführte, modernste naturwissenschaftliche Untersuchungen an Mörtel-​ und Erdproben erlaubten es, die Baugeschichte der Burg vom 12. bis ins 14. Jahrhundert Schritt für Schritt nachzuzeichnen. Demnach wandelte sie sich von einem prächtigen Adelssitz mit einem herrschaftlichen Wohn- und Torgebäude zu einer kompakten Ritterburg mit einem imposanten Burgturm aus metergrossen Steinblöcken. Die vier nachweisbaren Bauphasen werden in der Publikation mittels anschaulichen Rekonstruktionszeichnungen illustriert. Autorin Gabi Meier Mohamed betont: «Die Burg Hünenberg zeigt beispielhaft, wie anspruchsvoll die Konservierung einer bereits mehrfach restaurierten Ruine ist und wie gewinnbringend archäologische Nachuntersuchungen einer vermeintlich bereits vollständig ausgegrabenen Burgruine sein können.» Das Buch ist soeben als Band 48 der renommierten Publikationsreihe «Schweizer Beiträge zur Kulturgeschichte und Archäologie des Mittelalters» erschienen. Es richtet sich an die Fachwelt sowie an archäologisch und historisch interessierte Laien.

Fotos

Gezeichnete Darstellung der Burgruine im Herbst

Illustration zur ersten Bauphase der Burg aus dem zweiten Viertel des 12. Jahrhunderts. Fast alle Elemente im Bild sind wissenschaftlich nachgewiesen. (© ADA Zug, Eva Kläui und Salvatore Pungitore)

Zwei Panzerhandschuhe, nicht mehr ganz

(Fotomontage); Oberseite und Unterseite des 2008 ausgegrabenen Panzerhandschuhs aus dem 14. Jahrhundert. (© ADA Zug, Res Eichenberger)

Schachfigur vor grauem Hintergrund

Die Schachfigur aus einer Geweihsprosse wurde 2007 entdeckt. Es handelt sich um die Figur eines Springers (Pferdchen). (© ADA Zug, Res Eichenberger)

Skizze Schuh

Im Jahre 1947 wurden bei der Ausräumung des Sodbrunnens Reste von Ziegenleder geborgen. Das Oberleder mit zugehörigem Kantenbesatz erlaubt die genaue Rekonstruktion des Schuhs. (©Marquita Volken)

Gabi Meier Mohamed vor Gestell mit Funden

Autorin Gabi Meier Mohamed, wissenschaftliche Mitarbeiterin im Amt für Denkmalpflege und Archäologie präsentiert eine Ofenkachel aus dem 14. Jahrhundert mit der Darstellung eines Fabelwesens. (© ADA Zug, Res Eichenberger)

Spitze Hellebarde

Die Hellebarde stammt aus der Zeit um 1400 und wurde 1946 gefunden. Es handelt sich im Gegensatz zum ritterlichen Schwert um eine typisch schweizerische «Bauernwaffe». (© ADA Zug, Res Eichenberger)

Kontakt

Gabi Meier Mohammed

Wissenschaftliche Mitarbeiterin
Direktion des Innern

+41 41 728 32 07 gabriela.meier@zg.ch