10.03.2023, Medienmitteilung

6000-jährige Fischerhütten: Vor mehr als 25 Jahren wurden im Zugersee bei Cham-Eslen archäologische Funde entdeckt – jetzt erscheint das Buch dazu

Die Untiefe von Cham-​Eslen im Zugersee wurde 1996 als archäologische Fundstelle entdeckt und in mehreren Etappen ausgegraben. Nun veröffentlicht das Amt für Denkmalpflege und Archäologie die Forschungsergebnisse im Buch «Fischerhütten des frühen Jungneolithikums in Cham-​Eslen» und macht sie einem interessierten Publikum zugänglich. Renata Huber und Christian Harb bieten in ihrem Werk einzigartige Einblicke in die Welt der Pfahlbauer vor über 6000 Jahren. Die Buchvernissage findet am Donnerstag, 16. März um 17.00 Uhr in der Villa Villette in Cham statt.

Dass sich in den Tiefen des Zugersees vor Cham verschiedene Steinberge befinden, war schon seit 1920 bekannt. Welchen archäologischen Wert derjenige von Cham-​Eslen als Fundstelle hat, wurde jedoch erst 1996 deutlich. Weil die archäologischen Schichten und Funde akut von der Zerstörung durch die natürliche Erosion bedroht waren, grub ein Team von Unterwasserarchäologinnen und -​archäologen die wertvollen Zeitzeugen aus und brachte sie an die Wasseroberfläche. Anhand der Fundstelle gelang der erste Nachweis von Pfahlbaufunden im Zugersee, die ins 5. Jahrtausend vor Christus zurückreichen.

Einblick in eine unbekannte Unterwasserwelt

Die Bedeutung der Fundstelle Cham-​Eslen liegt nicht nur in ihrem hohen Alter, sondern auch in der eindeutigen Spezialisierung auf die Fischerei. Die Auswertungsarbeiten eröffneten einen neuen Blick auf die Zuger Pfahlbauten, die bis dahin vor allem durch ihre Überreste an Land bekannt waren. «Das Buch ist der erste Auftakt für eine klarere Sicht auf die archäologischen Verhältnisse unter Wasser. Die zentrale Rolle des Zugersees als Lebensraum und Lebensgrundlage für die damaligen Bewohnerinnen und Bewohner gerät zunehmend ins Blickfeld unserer Untersuchungen», so die Archäologin Renata Huber. Der Archäologe Christian Harb ergänzt: «Die Fundstelle macht zudem deutlich, dass sich unter Wasser zahlreiche urgeschichtliche Relikte befinden, die man dokumentieren und erforschen muss, bevor sie ganz verschwinden.»

Urgeschichtlicher Kaugummi

Im Buch werden Funde wie Werkzeuge, Gebäudepfähle sowie am Seegrund abgelagerte Schichten wissenschaftlich ausgewertet. Eine nahezu vollständig erhaltene Doppelaxt aus Stein, deren Holzgriff mit aufwändig verzierter Birkenrinde umwickelt war, machte die Fundstelle vor knapp 25 Jahren international bekannt. Weniger spektakulär, aber für die Deutung als Fischereistandort umso wichtiger, sind die rund 1200 gefundenen Senksteine für Fischernetze, mehrere Tausend Fischknochen sowie die Lage des Platzes weit draussen im See bei damals noch höherem Seespiegel. Spannend ist auch der Fund eines Kaugummis aus Birkenpech. Die darin enthaltenen Fischreste liefern wichtige Hinweise auf die Ernährung der Menschen. Auch geben Keramik, Steinbeile, Geräte aus Feuerstein wie Messer oder Pfeilspitzen, Tierknochen und Pflanzenreste detailreich Auskunft über das damalige Leben. Untersuchungen zeigen, dass die Fischerhütte am Standort Cham-​Eslen im 43. Jh. v. Chr., im 42. Jh. v. Chr. und sicher noch einmal um 4000 v. Chr. jeweils neu errichtet wurde.

Einsame Fischerhütte mitten im See

Das Bild der Fischerhütte allein im weiten See hebt sich vom liebgewonnenen Bild des Pfahlbaudorfs mit Selbstversorgerhaushalten deutlich ab. Die Fischerhütten wurden vermutlich nur saisonal aufgesucht. Ihre Bewohnerinnen und Bewohner waren nicht unabhängig, sondern Teil einer Gemeinschaft, die in grösseren Siedlungsräumen organisiert war. In solchen Gemeinschaften spielte die Kleinfamilie vermutlich eine geringe Rolle. Vielmehr hielten sich grössere Gemeinschaften in wechselnder Zusammensetzung zu verschiedenen Zeiten des Jahres an unterschiedlichen Orten auf.

Umfassende Publikation der Forschungsergebnisse

Renata Huber und Christian Harb vom Amt für Denkmalpflege und Archäologie beschreiben im Buch «Fischerhütten des frühen Jungneolithikums in Cham-​Eslen» die Resultate eines intensiven und umfassenden Forschungsprojekts. Erstmals stehen somit die Erkenntnisse über das Leben der Pfahlbauer vor über 6000 Jahren im Zugersee einem interessierten Publikum zur Verfügung. Das Buch erscheint in der Reihe «Antiqua» von Archäologie Schweiz und wird am 16. März an einer Vernissage in der Villa Villette in Cham vorgestellt.

Das Buch kann ab Mitte März 2023 zum Preis von Fr. 98.- zzgl. Versandkosten bei Archäologie Schweiz bezogen werden.

Medienschaffende sind herzlich zur Vernissage eingeladen:

Donnerstag, 16. März 2023, 17.00 Uhr in der Villa Villette, Villettepark 6330 Cham

Mit einem Grussworte von Christine Blättler-Müller (stv. Gemeindepräsidentin Cham), einem Geleitwort von Andreas Hostettler (Vorsteher Direktion des Innern), einem Dank von Karin Artho (Leiterin Amt für Denkmalpflege und Archäologie) und einem Kurzvortrag von Renata Huber und Christian Harb, mit Präsentation von Originalfunden. Am Ende gibt es einen kleinen Apéro.

Über das Amt für Denkmalpflege und Archäologie (ADA)

Das Amt für Denkmalpflege und Archäologie ist verantwortlich für Erhalt, Pflege, Erforschung und Dokumentation des archäologischen und bauhistorischen Erbes des Kantons Zug.

Fotos

Kostenlose Publikation unter Einhaltung von Copyright / Angabe Name und Vorname

Cham-​Eslen im Frühjahr 4129 v. Chr., Ansicht mit See und Ufer

Cham-Eslen im Frühjahr 4129 v. Chr. (Lebensbild) (© Illustration ADA ZG, Salvatore Pungitore)

Unterwasserarchäologie beim Tauchen und Notieren

Cham-Eslen, ein Unterwasserarchäologe an der Arbeit auf der Untiefe (© Foto UWAD ZH, Tomas Oertle)

Zeichnung der Doppelaxt mit Klinge und vergoldetem Schaft

Cham-Eslen, Rekonstruktion der Doppelaxt mit überlangem, mit verzierter Birkenrinde umwickeltem Schaft (© Illustration ADA ZG, Sabina Nüssli Bouzid)

Aneinanderreihung von Netzsenkern

Cham-Eslen, Netzsenker aus Kieseln und Bruchsteinen mit Schnurschatten (© Foto ADA ZG, Res Eichenberger)

In einem Kreis angeordnete Schuppen, braun bis beige

Cham-Eslen, Schuppen vom Egli aus den Fundschichten auf der Untiefe. (© Foto ADA ZG, Res Eichenberger)

Vier zusammengesetzte Gefässe

Cham-Eslen, Beispiele für Keramikgefässe von der Fundstelle, die zum Teil noch fast vollständig erhalten waren (© Foto ADA ZG, Res Eichenberger)

10 Pfeilspitzen von hellbraun bis rötlich und blau gefärbt

Cham-Eslen, Pfeilspitzen aus Feuerstein (Silex). Die verschiedenen Farben zeigen einerseits, dass Rohmaterial von verschiedenen Orten verwendet wurde, andererseits sind die Funde zum Teil auch verbrannt (© Foto ADA ZG, Res Eichenberger)

Kontakt

Renata Huber

Wissenschaftliche Mitarbeiterin, Stv. Leiterin Abteilung Ur- und frühgeschichtliche Archäologie
Direktion des Innern

+41 41 728 28 52 renata.huber@zg.ch