18.10.2021, Medienmitteilung

Denkmalpflege entdeckt seltene Wandmalereien in Zuger Altstadthaus

Bei Sanierungsarbeiten in Haus Ägeristrasse 3 sind überraschend Wandmalereien aus dem 16. Jahrhundert zum Vorschein gekommen. Dargestellt sind unter anderem eine biblische Szene und die Ansicht der von den Osmanen eroberten Stadt Jerusalem. Die Malereien sind für Zug einzigartig und auch schweizweit selten. Am «Tag der offenen Tür» vom 23. Oktober kann die Bevölkerung den Restauratoren bei den Freilegungsarbeiten zuschauen.

Die spektakuläre Entdeckung wurde bei Vorarbeiten im zweiten Obergeschoss des denkmalgeschützten Gebäudes gemacht. Unter einem Wandtäfer und einer Kalktünche kamen grossflächig erhaltene Malereien zum Vorschein: neben kunstvoll ausgeführten Tier- und Pflanzenmotiven auch aufwendige figürliche Darstellungen sowie eine Stadtansicht. Erste Recherchen der kantonalen Denkmalpflege sowie bauarchäologische Untersuchungen deuten darauf hin, dass das Wohn- und Geschäftshaus im 16. Jahrhundert erstellt wurde. Auch die Wandmalereien dürften zu jener Zeit entstanden sein. In Zusammenarbeit mit der Denkmalpflege legt nun ein Restauratoren-​Team immer mehr von der repräsentativen Ausschmückung des Raumes frei. Nicht nur die Fachleute, sondern auch die Liegenschaftseigentümer, Janina Galliker und Architekt Alexander Galliker, sind begeistert: «Wir sind stolz, dass in unserem Haus derart kostbare Malereien zum Vorschein gekommen sind. Wir freuen uns, diese erhalten zu können und dabei auf die fachliche und finanzielle Unterstützung der Denkmalpflege zählen zu dürfen».

Malerei zeigt Christus, der zum Himmel betet

Dargestellt ist Christus am Ölberg, ein ab dem 15. Jahrhundert beliebtes Motiv. Es zeigt den Moment, als Jesus im Garten Gethsemane, etwas ausserhalb von Jerusalems Stadtzentrum, neben den schlafenden Jüngern zum Himmel betet, bevor er am späteren Abend von Judas verraten und von Soldaten festgenommen wird. Besonders interessant ist auch die im Hintergrund dargestellte Stadt Jerusalem, vor der sich die biblische Szene abspielt. Die Stadtansicht weist erstaunliche Details auf: Die Kirchtürme zieren Mondsicheln, Zeichen des osmanischen Reichs. Folglich haben wir hier eine Darstellung des osmanischen Jerusalem (Eroberung 1517). Die Darstellungen Christi am Ölberg entstanden denn auch ab dem 15. Jahrhundert als Andachtsstätten im christlichen Raum, nachdem der Zugang zu den Originalstätten des christlichen Glaubens, also auch Jerusalem, seit der islamischen Eroberung von Konstantinopel (1453) erschwert worden war. Wandmalereien mit diesem Thema, aus dieser Zeit und in dieser eindrücklichen Qualität sind – mindestens im Kanton Zug – einmalig und dürften auch schweizweit selten sein.

Viele Aspekte des tollen Fundes sind noch nicht geklärt: Wann genau und unter welchen Umständen entstanden die Malereien? Wer war der Auftraggeber und wer bewohnte einst die Liegenschaft? Welche schweizweite Bedeutung kommt dieser Entdeckung zu? Und vor allem: Was wird das Restauratoren-​Team noch alles freilegen?

Tag der offenen Tür

Am Samstag, 23. Oktober 2021, 10 bis 15 Uhr, hat die Öffentlichkeit die Gelegenheit, die Wandmalereien im Original zu sehen. In diesem Zeitraum können die Wandmalereien frei besichtigt werden. Jeweils zur vollen Stunde werden Führungen angeboten. Letzte Führung: 14 Uhr. Eine Anmeldung ist nicht nötig. Besichtigung nur mit Covid-​19-​Zetrifikat möglich.

Restauratorin bei der Arbeit, Abschaben der Deckschicht mit Skalpell

Restauratorin an der Arbeit. Zu einem noch unbekannten Zeitpunkt wurden die figürlichen Malereien mit Kalkfarbe übertüncht. Diese hat die Malerei über lange Zeit geschützt. Ihre Entfernung ist heute enorm aufwändig. Mit Skalpell wird die stark anhaftende Deckschicht Millimeter um Millimeter von den Restauratoren von Hand freigelegt. (© Regine Giesecke)

Wandmalerei mit betendem Jesus und schlafenden Jüngern

Freigelegt wurden bisher der betende Jesus mit den schlafenden Jüngern Johannes, Petrus und Jakobus sowie ein Kelch, der auf einem Felsvorsprung steht. Der die Figurengruppe umgebende Zaun verweist auf den Garten Gethsemane. Im Hintergrund sichtbar die Stadt Jerusalem. Die Mondsicheln auf den Türmen sind Zeichen des osmanischen Reichs (Eroberung 1517). (© Regine Giesecke)

Kontakt

Stefan Hochuli

Leiter Amt für Denkmalpflege und Archäologie
Direktion des Innern

+41 41 728 28 58 stefan.hochuli@zg.ch