Lärmschutz im Baubewilligungsverfahren
Damit neue Gebäude einen angemessenen Aufenthalts- und Wohnkomfort aufweisen, ist dem Lärmschutz in lärmbelasteten Gebieten entsprechend Rechnung zu tragen. Im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens kann die Planung von lärmempfindlichen Nutzungen eine Herausforderung darstellen.
Baubewilligungsverfahren für lärmempfindliche Nutzungen
In bestehenden und erschlossenen Bauzonen dürfen Bauten, die dem längeren Aufenthalt von Personen dienen, in lärmbelasteten Gebieten nur errichtet werden, wenn die Immissionsgrenzwerte nach den Anhängen 3 bis 9 der Lärmschutz-Verordnung unter Berücksichtigung von planerischen, gestalterischen oder baulichen Massnahmen eingehalten sind. Verfehlen die Massnahmen nach Art. 31 Abs. 1 der Lärmschutz-Verordnung sowie nach Art. 22 Abs. 2 des Umweltschutzgesetzes ihre Wirkung und es verbleiben Immissionsgrenzwertüberschreitungen, gilt ein Bauverbot; es sei denn, es wird nach Artikel 31 Absatz 2 der Lärmschutz-Verordnung eine Ausnahmebewilligung erteilt.
Besteht Grund zur Annahme, dass bei einem Bauprojekt die massgebenden Immissionsgrenzwerte überschritten sein könnten, lässt die Bauherrschaft im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens einen Lärmschutznachweis erstellen. Versäumt es die Bauherrschaft, einen Lärmschutznachweis mit den übrigen Baugesuchsunterlagen einzureichen, fordert die Gemeinde einen Nachweis ein und prüft diesen inhaltlich.
Verbleiben Immissionsgrenzwertüberschreitungen bei Fenstern von lärmempfindlichen Räumen, darf die Baubewilligung nur erteilt werden, wenn sämtliche Massnahmen nach Art. 31 Abs. 1 der Lärmschutz-Verordnung und nach Art. 22 Abs. 2 des Umweltschutzgesetzes ergriffen worden sind, ein überwiegendes öffentliches Interesse besteht und die kantonale Behörde (Amt für Umwelt) zustimmt. Die Bauherrschaft stellt dazu ein Gesuch für eine Ausnahmebewilligung nach Art. 31 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung. Die kommunale Behörde prüft das Gesuch und nimmt eine Interessenabwägung zwischen den Interessen des Gesundheitsschutzes der Bewohner und den raumplanerischen Interessen der Gemeinde vor. Das Amt für Umwelt prüft im Anschluss sämtliche Unterlagen und stimmt, bei Erfüllung aller notwendiger Voraussetzungen, dem Gesuch nach Art. 31 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung – allenfalls unter Auflagen – zu.
Zu beachtende Punkte im Baubewilligungsverfahren
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Welche Bauvorhaben sind lärmrelevant?
Als lärmrelevante Bauten oder wesentliche Änderungen im Sinne von Art. 31 der Lärmschutz-Verordnung gelten im Kanton Zug:
- Schaffung neuer lärmempfindlicher Räume, z. B. Neubau Einfamilienhaus, Neubau Bürogebäude, Erweiterung Schulhaus durch neue Schulzimmer.
- Erhöhung der Lärmempfindlichkeit durch eine Zweckänderung von Räumen, z. B. Umnutzung von Büronutzung in Wohnnutzung oder Umnutzung von Lagerraum zu Büronutzung.
- Neubauähnliche Umgestaltung, die so weit geht, dass die Identität des bisherigen Gebäudes nicht erhalten bleibt oder eine günstigere Raumanordnung oder Lärmschutzmassnahmen möglich wären, z. B. Auskernung eines bestehenden Bauernhauses. (Im Einzelfall ist das Amt für Umwelt zu kontaktieren.)
- Unterteilung von Räumen mit lärmgeschützten Lüftungsfenstern, so dass neue Räume ohne geschützte Lüftungsfenster entstehen.
- Erstellung neuer Fensteröffnungen bei bestehenden lärmempfindlichen Räumen, sofern das neue Fenster das lärmexponierteste ist.
Für jedes öffenbare Fenster, das unter die oben aufgeführte Auflistung fällt, ist im Falle einer verbleibenden Immissionsgrenzwertüberschreitung eine Zustimmung nach Art. 31 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung zu beantragen. Spezial- oder Grenzfälle sind mit dem Amt für Umwelt zu klären.
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Massgebende Lärmempfindlichkeitsstufen
Die Belastungsgrenzwerte sind abhängig von den Lärmempfindlichkeitsstufen. Diese werden in der kommunalen Nutzungsplanung festgelegt. Die massgebende Empfindlichkeitsstufe ist direkt aus dem Zonenplan der jeweiligen Gemeinde zu ermitteln.
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Anforderungen an den Lärmschutznachweis
Besteht der Verdacht einer Immissionsgrenzwertüberschreitung, so ist ein Lärmschutznachweis zu erstellen, in dem die Einhaltung der Immissionsgrenzwerte nachgewiesen werden. Der Lärmschutznachweis ist bei den kommunalen Bewilligungsbehörden im Rahmen des Baubewilligungsverfahrens unaufgefordert einzureichen und beinhaltet nachfolgende Punkte:
- Verwendete Grundlagen (Rechtsgrundlagen, Vollzugshilfen, Zonenpläne, Projektpläne, Grundlagedaten zur Lärmermittlung etc.)
- Lärmrechtliche Einordnung des Projekts nach Umweltschutzgesetz und Lärmschutz-Verordnung
- Projektpläne mit der Lage der Beurteilungspunkte und Einstufung der Raumnutzung
- Emissionswerte Lr,e der einzelnen Lärmquellen inkl. Grundlagedaten
- Massgebende Lärmempfindlichkeitsstufe und Lärmgrenzwerte
- Nachvollziehbare Darstellung der Berechnungen
- Beurteilungspegel LrTag / LrNacht sind ohne Nachkommastellen und mathematisch gerundet auszuweisen. Ein Grenzwert gilt dann als überschritten, wenn der ganzzahlige Beurteilungspegel grösser ist als der Grenzwert. Der Beurteilungspegel ist mindestens für sämtliche Fenster bis Lr ≥ Immissionsgrenzwert auszuweisen.
- Ausführliches Lärmschutzkonzept (Massnahmenkonzept) bei Projekten mit Antrag für Ausnahmebewilligung nach Art. 31 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordung, d. h. bei verbleibender Immissionsgrenzwertüberschreitung
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Wann ist ein Lärmschutzkonzept notwendig und was ist sein Inhalt?
Verbleiben trotz Massnahmen Immissionsgrenzwertüberschreitungen am Gebäude, ist ein umfassendes Massnahmenkonzept innerhalb des Lärmschutznachweises abzuhandeln. Dazu gehören unter anderem, welche Massnahmen getroffen und welche Massnahmen aus welchen Gründen verworfen wurden, ein Wirkungsnachweis von Lärmschutzmassnahmen in dB(A), d. h. Lärmermittlung ausweisen für den Zustand mit und ohne Massnahmen, Lage und Dimensionierung von Massnahmen, Materialisierung, Absorptionsgrad, Skizzen, Pläne, Grundrissgestaltungsvarianten. Wir empfehlen die Untersuchung von Lärmschutzmassnahmen gemäss der aufgelisteten Reihenfolge:
- Priorität: Anordnung der Gebäude, Gebäudeform und -stellung (in Ausnahmefällen Distanz zur Lärmquelle, sofern verhältnismässig und wirksam); bei Grossüberbauungen eventuell Massnahmen an der Lärmquelle etc.
- Priorität: Bauliche Massnahmen im Ausbreitungsbereich, z. B. Lärmschutzwand, Wall, Nebenbauten ohne lärmempfindliche Nutzungen als Schallschirm anordnen etc.
- Priorität: Gestalterische Massnahmen, wie lärmabgewandte Orientierung, Nutzungsanordnung und Grundrissoptimierung etc.
- Priorität: Bauliche Massnahmen am Gebäude (z. B. Anordnung lärmwirksame Balkone und Loggien), Auskragungen (z. B. Brüstungen) etc.
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Anforderungen an das Lüftungsfenster
Beim sogenannten «Lüftungsfenster» handelt es sich um ein Fenster, das zur Belüftung des Raumes dient und bei dem der massgebende Lärmgrenzwert eingehalten wird. Der Lüftungsquerschnitt muss mindestens 5 Prozent der raumzugehörigen Bodenfläche betragen. Ein Lüftungsfenster muss ins Freie führen und bei jeder Witterung ohne Wohnkomfortbeeinträchtigung öffenbar sein. Die Anforderung gilt ausschliesslich für Räume in Wohnungen.
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Ausführungsbestimmungen für lärmwirksame Balkone und Loggien
Balkone und Loggien dürfen nur dann als lärmwirksam berücksichtigt werden, wenn sie ausreichend dimensioniert sind. Als Richtwerte gelten eine Mindestfläche von 3 m2 und eine Mindesttiefe von 1,5 Metern. Untersichten sind schallabsorbierend zu verkleiden (Schallabsorption DLαNRD ≥ 4 dB gemäss EN 1793-1:2017 beziehungsweise mindestens Schallabsorptionsklasse C oder Schallabsorptionsgrad αw ≥ 0.60 nach EN ISO 11654:1997). Akustisch wirksame Brüstungen sind in jedem Fall zwingend. Sie müssen schalldicht sein. Die Lärmermittlung erfolgt bei verschiebbaren Verglasungen oder bei vorgelagerten Wintergärten im vollständig geöffneten Zustand.
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Sind Glasschilder als Lärmschutzmassnahme erlaubt?
Fenster müssen ins Freie führen. Deshalb sind Glasschilder, die das Fenster halb oder ganz abdecken, als Lärmschutzmassnahme nicht erlaubt.
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Umgang mit seitlichen Fensterblenden als Lärmschutzmassnahme
Beugungseffekte führen dazu, dass zu kleine Fensterblenden kaum lärmreduzierend wirken. Mehrere Fensterblenden können zudem zu Reflexionen und somit zu erhöhten Lärmimmissionen führen. Die Wirksamkeit von allfällig projektierten Fensterblenden ist fallweise immer mit dem Amt für Umwelt zu klären. Lärmwirksame seitliche Fensterblenden sind in jedem Fall geschosshoch auszuführen.
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Interessenabwägung und Gesuch um kantonale Zustimmung nach Art. 31 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung
Im Falle von verbleibenden Immissionsgrenzwertüberschreitungen ist ein Gesuch um Zustimmung nach Art. 31 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung notwendig. Für das Gesuch der Bauherrschaft sowie für die erforderliche Interessenabwägung der Gemeinde stellt das Amt für Umwelt das Formular Gesuch für Zustimmung nach Art. 31 Abs. 2 der Lärmschutz-Verordnung online zur Verfügung. Dem Formular sind zwingend nachfolgende Dokumente beizulegen:
- Lärmschutznachweis inklusive Lärmschutzkonzept (ausführliche Massnahmenprüfung)
- Schallschutznachweis nach SIA 181 für Aussenlärm
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Schallschutznachweis
Nach Art. 32 der Lärmschutz-Verordnung hat die Bauherrschaft dafür zu sorgen, dass die Aussenbauteile und Trennbauteile lärmempfindlicher Räume sowie Treppen und haustechnische Anlagen den anerkannten Regeln der Baukunde entsprechen. Als solche gelten die Mindestanforderungen nach SIA 181 des Schweizerischen Ingenieur- und Architekten-Vereins.
Werden bei lärmexponierten Fenstern die Immissionsgrenzwerte überschritten, ist zwingend ein Schallschutznachweis nach SIA 181 für die Aussenbauteile zu erstellen und zusammen mit dem Lärmgutachten im Baubewilligungsverfahren einzureichen. In einem Plan sind die Fenster mit den resultierenden Bauschalldämm-Massen (R'w+Ctr) sowie den vorgesehenen Glasaufbauten anzugeben.
Die Anforderungen werden gemäss kantonaler Vollzugspraxis bei Immissionsgrenzwertüberschreitung nicht zusätzlich verschärft. Es gelten die Mindestanforderungen nach SIA 181.
Einstufung von Räumen nach ihrer Lärmempfindlichkeit
* Maximale Bruttoabmessung ohne Einbauten und Möbel (BRF)
Wenn ein Raum in der Regel nur am Tag genutzt wird, erfolgt im Zeitraum Nacht keine Beurteilung (z.B. Gemeinschaftsraum in Wohnungen, Schulzimmer etc.).
Grenz- und Spezialfälle sind mit dem Amt für Umwelt zu klären.
Raumart | lärmempfindlich | lärmempfindlich | nicht lärmempfindlich |
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Wohnen | Betrieb (+5dB) | ||
Wohn- und Schlafzimmer | x | ||
Wohnraum | x | ||
Gemeinschaftsraum in Wohngebäuden | x | ||
Estrich-/Hobbyraum wärmegedämmt, beheizt (>10m2) * | x | ||
Estrich-/Hobbyraum wärmegedämmt, beheizt (<10m2) * | x | ||
Wohnküche (BRF > 10m2) * | x | ||
Arbeitsküche (BRF < 10m2) * | x | ||
Wintergarten (beheizt, innerhalb Dämmperimeter) | x | ||
Wintergarten (unbeheizt, ausserhalb Dämmperimeter) | x | ||
Bad, WC | x | ||
Treppenhaus, Korridor, Abstellraum | x | ||
Hotelzimmer | x | ||
Schulzimmer | x | ||
Kindergarten, Kita | x | ||
Zimmer in Spital, Klinik | x | ||
Restaurant, Speisesaal | x | ||
Restaurant mit erheblichem Eigenlärm | x | ||
Büro, Besprechungszimmer | x | ||
Praxen (Arzt, Rechtsanwalt etc.) | x | ||
Coiffeur | x | ||
Einkaufsladen mit geringem Eigenlärm | x | ||
Einkaufsladen mit erheblichem Eigenlärm | x | ||
Kirchen | x | ||
Stall | x |
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