Publikation «Fürsorgen, vorsorgen, versorgen»
Die Geschichte der sozialen Fürsorge im Kanton Zug von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart wurde historisch aufgearbeitet und dokumentiert.
Die Publikation erschien im Chronos Verlag
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Historische Aufarbeitung der sozialen Fürsorge im Kanton Zug
Der Kanton Zug hat einen Forschungsbericht über das Fürsorgewesen in Auftrag gegeben. Die Beratungsstelle für Landesgeschichte (BLG) hat diesen umfassenden Bericht realisiert und am 17. November 2022 publiziert. Die Resultate der wissenschaftlichen Arbeit sind nicht nur für akademische Kreise, staatliche Stellen, öffentliche und kirchliche Institutionen sowie Direktbetroffene von Interesse, sondern auch für die Bevölkerung, die sich kritisch mit der Vergangenheit auseinandersetzen möchte. Denn die aus der Vergangenheit gewonnenen Erkenntnisse sind auch für die heutige und künftige «Fürsorgelandschaft» von Relevanz.
«FÜRSORGEN, VORSORGEN, VERSORGEN: Soziale Fürsorge im Kanton Zug von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart» erforscht und analysiert die Geschichte der sozialen Fürsorge im Kanton Zug von der Mitte des 19. Jahrhunderts bis in die Gegenwart, mit Schwerpunkt bis in die 1980er-Jahre. Der Bericht legt dar, ordnet ein, hinterfragt und stellt Handlungen und Gegebenheiten in Kontext. Die Untersuchung legt die Gesamtheit der vorhandenen Angebote und Anordnungen für Menschen in Notlagen oder in als prekär beurteilten Situationen dar. Dazu zählen materielle Unterstützungs- und Versicherungsleistungen ebenso wie Beratungsangebote und Vermittlungsdienste sowie ambulante und stationäre Betreuungen auf freiwilliger oder behördlich verordneter Basis.
Die Untersuchung thematisiert auch die Schattenseiten des damaligen Fürsorgesystems, in dem es mitunter zu Repression, Wegsperrung, Zwang, physischer und psychischer Misshandlung kam. Diese breite und sorgfältige Herangehensweise dokumentiert den Versuch, soziale Fürsorge als komplexes, sich im Verlauf von 170 Jahren veränderndes Dispositiv von Nachfrage und Angebot, Akteuren und Handlungen und sich ändernden Vorstellungen von Recht, Sitte und Moral zu erfassen.
Die Resultate der Untersuchung sind als Buch und open access - Publikation im Chronos Verlag verfügbar: "Fürsorgen, vorsorgen, versorgen".
Vorarbeiten und Forschungsprojekt 2017-2022
Der Fokus lag auf der Analyse der sozialen Fürsorge insgesamt, weil sich einzelne Massnahmen nicht klar voneinander abgrenzen lassen. Sie umfasst den Zeitraum von 1850 bis zur Gegenwart. Erforscht wurden nicht nur einzelne Fälle, sondern auch die damals vorherrschenden Strukturen sowie die Werte und Normen, nach denen gehandelt wurde.
Die Untersuchung stützt sich sowohl auf vielfältige Archivquellen als auch auf Interviews mit Beteiligten und Betroffenen. Der Bericht erstreckt sich auf alle Gemeinden des Kantons Zug.
Die Projektleitung liegt beim kantonalen Sozialamt. Der Forschungsauftrag wurde von der Beratungsstelle für Landesgeschichte (BLG) in Zürich, einem Spin-Off der Universität Zürich, erfüllt. Das Staatsarchiv des Kantons Zug war für die wissenschaftliche Begleitung des Projekts zuständig. Es hat Betroffene seit 2014 im Hinblick auf Gesuche um einen Solidaritätsbeitrag bereits intensiv und engagiert unterstützt und per September 2018 total 105 Aktensuchanfragen bearbeitet. Eine wichtige Rolle im Prozess des Forschungsprojekts spielte auch die von der Direktion des Innern eingesetzte Begleitgruppe mit Vertretungen der Opferberatung «eff-zett», der Zuger Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde (KESB), der Beratungsstelle «Triangel», der Gemeinnützigen Gesellschaft des Kantons Zug (GGZ), der Einwohner-, Bürger- und Kirchgemeinden sowie mit der Historikerin Dr. Gisela Hürlimann.
Medienmitteilung vom 20. Mai 2019: Soziale Fürsorge: Zeitzeugen für Forschungsprojekt gesucht
Im Sommer 2018 sprach die Zuger Regierung für die historische Aufarbeitung 400 000 Franken aus dem Lotteriefonds. Zahlreiche weitere Geldgeber beteiligten sich finanziell am Projekt.
Finanzbedarf: 900 000 Franken
Zugesagte Beträge | Franken |
---|---|
Kanton Zug | 400`000 |
Stadt Zug | 13`000 |
Einwohnergemeinde Menzingen | 13`000 |
Einwohnergemeinde Risch | 13`000 |
Einwohnergemeinde Cham | 13`000 |
Einwohnergemeinde Baar | 13`000 |
Einwohnergemeinde Unterägeri | 5`000 |
Einwohnergemeinde Hünenberg | 4`900 |
Einwohnergemeinde Oberägeri | 3`400 |
Einwohnergemeinde Walchwil | 2`000 |
Guido-Fluri-Stiftung | 100`000 |
Ernst Göhner-Stiftung | 50`000 |
Hürlimann-Wyss-Stiftung Zug | 2`000 |
Stiftung zur Förderung der Freiheit von Mensch und Natur | 1`000 |
Dr. Hans Durrer Stiftung | 25`000 |
Stiftung Winterhilfe Zug | 15`000 |
Reformierte Kirche Kanton Zug | 20`000 |
Vereinigung der katholischen Kirchgemeinden des Kantons Zug |
100`000 |
Gemeinnützige Gesellschaft Zug | 5`000 |
Schwestern vom Heiligen Kreuz - Institut Menzingen | 20`000 |
Kloster Heiligkreuz Cham | 5`000 |
Kloster Frauenthal | 1`000 |
Kloster Maria Opferung Zug | 1`000 |
Bürgergemeinde Oberägeri | 5`130 |
Bürgergemeinde Menzingen | 4`290 |
Bürgergemeinde Cham | 4`360 |
Bürgergemeinde Steinhausen | 3`540 |
Bürgergemeinde Baar | 6`430 |
Bürgergemeinde Unterägeri | 4`370 |
Bürgergemeinde Stadt Zug | 8`380 |
Bürgergemeinde Risch | 3`340 |
Bürgergemeinde Hünenberg | 3`710 |
V-ZUG-AG | 4`000 |
Alfred Müller AG | 1`000 |
Glencore International AG | 8`000 |
Aula AG Cham | 1`000 |
Bitcoin Suisse AG | 5`000 |
Total | 887`850 |
Seit Jahren ist bekannt, dass zahlreichen von so genannt «fürsorgerischen Zwangsmassnahmen» betroffenen Personen Unrecht geschehen ist – auch im Kanton Zug. Doch ein umfassendes Bild über die damaligen Geschehnisse, die Gesetze und Ausführungsbestimmungen, die Vorgehensweisen und insbesondere das Ausmass fehlten bis anhin. Es bestand also eine schwerwiegende Forschungslücke. Eine vertiefte wissenschaftliche Aufarbeitung dieses wichtigen Kapitels Zugerischer Sozialgeschichte drängte sich somit dringend auf.
Es geht um Fremdplatzierungen, Zwangsadoptionen, -Abtreibungen und -Sterilisationen, um physische und psychische Gewalt, aber auch um die Überforderung von Personal in Kinder- und Jugendheimen, das kaum oder gar nicht für diese anspruchsvolle Aufgabe ausgebildet, von den Behörden häufig allein gelassen und entsprechend überfordert war. Es geht aber auch um Privatpersonen und Behördenmitglieder, die Missstände in Familien, aber auch Heimen festgestellt und sich engagiert für das Wohl von Kindern und Jugendlichen eingesetzt haben.