Unentgeltliche Rechtspflege im Zivilverfahren
Gerichtsverfahren können teuer sein. Hier erfahren Sie, wann und wie der Kanton Sie bei der Prozessführung finanziell unterstützt und was Sie dazu unternehmen müssen.
Allgemeine Informationen zur unentgeltlichen Rechtspflege
Damit jede Person ihre Rechte auch dann durchsetzen kann, wenn ihr die Mittel dazu fehlen, sieht Art. 29 Abs. 3 der Bundesverfassung einen Anspruch auf unentgeltliche Rechtspflege sowie auf einen unentgeltlichen Rechtsbeistand vor. Im Zivilprozess ist dies in Art. 117 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO) näher geregelt.
Wird die unentgeltliche Rechtspflege gewährt, so muss die betroffene Person einstweilen weder die Gerichtskosten bezahlen noch Kautionen oder Barvorschüsse leisten.
Wichtigste Voraussetzung für die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist die Mittellosigkeit. Mittellos ist, wer nicht über das nötige Einkommen und Vermögen verfügt, um neben dem Lebensunterhalt für sich und seine Familie die Prozesskosten aufbringen zu können. «Mittellosigkeit» ist nur dann gegeben, wenn es der betroffenen Person nicht möglich ist, die Prozesskosten bei weniger aufwändigen Prozessen innert eines Jahres, bei anderen innert zweier Jahre abzuzahlen. Sie hängt somit auch stets auch von der zu erwartenden Höhe der Prozesskosten ab.
Der Prozess darf ausserdem nicht als aussichtslos erscheinen.
Unter denselben Voraussetzungen kann einer mittellosen Person ein unentgeltlicher Rechtsbeistand in der Person eines in einem kantonalen Anwaltsregister eingetragenen Rechtsanwaltes bestellt werden, sofern sie wegen der Komplexität der sich stellenden Fragen oder aus Gründen der Waffengleichheit eines solchen bedarf.
Bitte beachten Sie, dass der Kanton mit der unentgeltlichen Rechtspflege die Prozesskosten nur einstweilen bevorschusst. Sobald Sie wieder in der Lage sind, die Kosten nachträglich doch noch zu bezahlen, werden Sie von der Gerichtskasse zur Rückzahlung aufgefordert. Erst wenn dies 10 Jahre nach rechtskräftigem Abschluss des Verfahrens noch immer nicht möglich ist, übernimmt der Kanton die Kosten in der Regel definitiv.
Gesuch
Damit Sie unentgeltliche Rechtspflege erhalten, müssen Sie ein entsprechendes Gesuch stellen. Dieses Gesuch richten Sie an das mit Ihrem Fall befasste Gericht, d.h. entweder an das Kantonsgericht oder an das Obergericht. Wurde Ihnen die unentgeltliche Rechtspflege für das Verfahren vor Kantonsgericht gewährt und der Fall wird ans Obergericht weitergezogen, so müssen Sie für das Verfahren vor Obergericht ein neues Gesuch stellen.
Sie können dafür das Formular «Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege» verwenden, das Sie hier herunterladen können.
Damit Ihr Gesuch gutgeheissen werden kann, müssen Sie von sich aus umfassend Auskunft über Ihre finanziellen Verhältnisse geben und Ihrem Gesuch auch die nötigen Belege zu Ihrem Einkommen, Ihrem Vermögen und ihren regelmässigen Lebenshaltungskosten beilegen. Die Angaben im Gesuch müssen wahrheitsgemäss und vollständig sein. Machen Sie in Ihrem Gesuch falsche oder unvollständige Angaben, so führt dies nicht nur zum Entzug der unentgeltlichen Rechtspflege, sondern kann auch strafrechtliche Folgen nach sich ziehen.
Die unentgeltliche Rechtspflege wird in der Regel nicht rückwirkend bewilligt. Es ist daher wichtig, das Gesuch möglichst frühzeitig zu stellen.
Prozesskostenvorschuss in familienrechtlichen Verfahren
In Eheschutz- und Scheidungsverfahren haben Sie die Möglichkeit, dem Gericht zu beantragen, dass Ihr Ehepartner oder ihre Ehepartnerin Ihnen einen bestimmten Betrag als Vorschuss an Ihre Gerichts- und insbesondere Anwaltskosten bezahlen soll, sofern ihm oder ihr dies finanziell möglich ist. Grund dafür ist die eheliche Beistandspflicht, die auch im Scheidungsverfahren noch gilt. Ein solcher Vorschuss wird «Prozesskostenvorschuss» oder im Eheschutzverfahren auch «Prozesskostenbeitrag» genannt. Einen Prozesskostenvorschuss vom beklagten Elternteil kann unter Umständen auch das unmündige Kind beantragen, das einen Vaterschafts- und/oder Unterhaltsprozess führt.
Die Voraussetzungen für den Prozesskostenvorschuss sind im Übrigen dieselben wie für die unentgeltliche Rechtspflege.
WICHTIG: Unentgeltliche Rechtspflege erhalten Sie nur, wenn Sie keinen Prozesskostenvorschuss erhältlich machen können. In einem Eheschutz- oder Scheidungsverfahren (inkl. vorsorgliche Massnahmen) müssen Sie daher vorab zu bzw. gleichzeitig mit Ihrem Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege stets auch einen Antrag auf Bezahlung eines Prozesskostenvorschusses durch Ihren Ehepartner oder Ihre Ehepartnerin stellen.
Gebühren
Das Verfahren über die Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ist in der Regel kostenlos. Ein allfälliges Rechtsmittelverfahren ist aber mit Kosten verbunden.
Rechtsmittel gegen Entscheide über die unentgeltliche Rechtspflege
Lehnt das Kantonsgericht Ihr Gesuch um Gewährung der unentgeltlichen Rechtspflege ganz oder teilweise ab, so können Sie diesen Entscheid mit Beschwerde ans Obergericht anfechten.
Wenn Sie hingegen ein Gesuch um unentgeltliche Rechtspflege beim Obergericht gestellt haben (für ein dort hängiges Berufungs- oder Beschwerdeverfahren) und das Obergericht das Gesuch abweist, so ist dieser Entscheid grundsätzlich mit Beschwerde in Zivilsachen ans Bundesgericht anfechtbar. Dies jedoch nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen: Es muss Ihnen einerseits ein nicht wieder gutzumachender Nachteil drohen, wenn der Entscheid des Obergerichts so bestehen bleibt. Andererseits muss Ihre eigentliche Streitsache, für die Sie die unentgeltliche Rechtspflege möchten, einen Streitwert von mindestens 15'000 Franken (Arbeits- und Mietrecht) bzw. 30'000 Franken haben.
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